Reflexion Mauthausen
Bei unserem Ausflug nach Mauthausen am 14.5.2025 habe ich an dem Workshop Nummer 4 mit dem Namen „Verbrechen erzählen“ teilgenommen. Die Führung begann beim Appellplatz, dann sind wir kurz zum Friedhof gegangen, in dem die ermordeten Gefangenen ruhen, deren Namen oder sonstige Informationen unbekannt sind und weiter ging es durch das Museum. Anschließend waren wir im Raum der Namen und in der Gaskammer. Ein Teil der Besichtigung waren auch die Baracken, die Todesstiege und die Duschen. Beendet wurde sie dann bei dem Fußballplatz, an dem die SS-Männer und privilegierte Funktionshäftlinge regelmäßig gespielt haben.
Wie man sich bereits denken kann, war der Besuch in dem ehemaligen Konzentrationslager auch für mich sehr bedrückend und schockierend. Die grauenvollen Taten, die dort vor nicht allzu langer Zeit begangen wurden, in Videos oder Fotos zu sehen, in Berichten zu lesen, ist eine Sache (und auch schon schlimm genug) – den realen Ort der unzähligen Verbrechen zu betreten, eine ganz andere. Man geht auf demselben Boden, tritt auf dieselben Stellen wie einst die Häftlinge, die in Mauthausen ihren letzten Atemzug getan haben und grauenvoll zugrunde gegangen sind. Wir sind in die Fußstapfen der Toten getreten, sind ihre täglichen Wege gegangen, und doch werden wir uns niemals das volle Ausmaß der Abscheulichkeiten vorstellen können, die sich dort ereignet haben. Jeden Tag aufs Neue aufzuwachen, nach einer Nacht voller Albträume, und bereits nach dem ersten Mal blinzeln die Angst im ganzen Körper fühlen. Die Angst, die zu einem ständigen Begleiter geworden ist, zu einem Teil von ihnen, den sie fast schon begrüßen wie einen alten Bekannten. Denn sie ist das einzige, auf das sie sich an diesem dunklen Ort der Verbrechen verlassen können, an das sie sich klammern können, denn sie haben ja sonst nichts. Sie ist immer da, solange, bis sie der Tod von ihr befreit. Selbst die Menschen mit dem Überlebensdrang, die versucht haben, diesen inhumanen Bedingungen standzuhalten, haben irgendwann einen Punkt erreicht, an dem sie bereits derart geschwächt und ausgezehrt waren, dass der Tod zum Freund wurde, der sehnlichst erwartet wurde. Denn dann müssten sie nicht länger Tag für Tag leiden, hungern, Schmerzen ertragen.
Ich möchte mir nicht vorstellen, was einem von ihnen als Letztes durch den Kopf gegangen ist, als ihm bewusst wurde, dass er der nächste ist und das Morgengrauen nicht mehr erleben wird. Wie zwiegespalten man gewesen sein musste, hin und hergerissen zwischen dem letzten Funken Lebenslust und der inneren Stimme, die einem sagte, es wäre vielleicht besser so. Erlösung ist Erlösung, ob durch externe oder interne Befreiung, war wahrscheinlich nicht mehr entscheidend. Trotz Allem hatten viele der Gefangenen vermutlich stets die winzige Hoffnung, dass irgendjemand kommen und sie dort rausholen würde. Ein kleines Licht, tief in ihrem Inneren vergraben, langsam am Erlöschen, doch nie vollständig. Denn der Moment, in dem es vollständig erlischt, ist der Moment, in dem sie zu kämpfen aufgehört haben und bereit sind, zu sterben. Ohne Hoffnung hat man keine Chance mehr zu überleben, denn ohne Hoffnung lohnt es sich nicht mehr, zu leben. Sie mussten es behüten, was viel Arbeit war und Energie verbrauchte, da es nichts Positives mehr gab, was das Licht dazu gebracht hätte, heller zu leuchten. Sie mussten Tag und Nacht dafür sorgen, dass es nicht ausgeht, dass die Dunkelheit nicht von ihnen Besitz ergreift, da es sonst zu spät, ihr Schicksal besiegelt wäre.
Natürlich kann ich mich nur zu einem gewissen Grad in die Ermordeten hineinversetzen, jedoch halte ich diese Überlegungen für durchaus wahrscheinlich. Jedenfalls wäre es möglich, dass ich diese Gedanken gehabt hätte, wäre ich an ihrer Stelle gewesen.
Ich bewundere ihre Stärke, ihre Akte der Rebellion. Ich bin dankbar für die Menschen, die ihr Leben dafür riskiert haben, Beweise zu sammeln, um jedem die Wahrheit vor Augen zu führen und derart schreckliche Vergehen in Zukunft zu verhindern. Ich trauere um alle, die dort umgebracht wurden, und um alle, die bis zur Befreiung überlebt haben aber deren Körper zu schwach waren, um zu überleben. Aber am meisten trauere ich um jene, die die Hoffnung schon sehr früh aufgegeben haben und daran zugrunde gegangen sind.
Wir müssen um jeden Preis dafür sorgen, dass sich diese Geschichte nicht wiederholt, die Tode der Unschuldigen, all die Anstrengungen und Risiken, die sie auf sich genommen haben, um dafür zu sorgen, dass jeder von den Verbrechen in Mauthausen erfährt und sie nicht in Vergessenheit geraten, nicht umsonst waren. Wir alle sind dafür verantwortlich, dafür zu sorgen, dass die Gräueltaten der Vergangenheit nicht erneut begangen werden, denn die Vergangenheit kann schneller zur Gegenwart werden als manche vielleicht denken.
Emma Leister